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Katalog 379 | Alte Kunst

Dabei kennzeichnet ein großer Umbruch das Leben des Düsseldorfer Malers: nachdem er, der aus sehr bescheidenen Verhältnissen entstammt, zehn Jahre als Nagelschmied in Köln und in seiner Geburtsstadt Zülpich gearbeitet hat, zieht es ihn zur Malerei und damit an die Akademie in Düsseldorf. Da er mit fast 30 Jahren das Alter der gewöhnlichen Studenten deutlich überschritten hat, gibt er sich als jünger aus und arbeitet sich bis in die Meisterklasse Schadows hoch. Dessen Forderung der Kenntnis und Umsetzung des romantischen Gedankenguts der Philosophen um Schlegel und Kant setzt er, wie Mayme Neher in ihrer Monographie zu Salentin betont, so meisterlich wie kaum ein anderer um. Eines dieser Werke, erstmals entstanden in seinen zwei produktivsten und kreativsten Jahrzehnten ab Mitte der 1850er Jahre, stellt diese Verbindung her zwischen seiner eigenen Lebensgeschichte, realen Ereignissen und dem philosophischen Überbau. In diesen Jahren wurde in Köln ein Findelkind aufgefunden, dessen Entdeckung lange Zeit die Gemüter bewegte. Salentin verlegt diese Situation ursprünglich in das Innere einer Schmiedewerkstatt, in die ein besorgter Schäfer das Körbchen mit dem Baby bringt – umringt von einer überraschten und Anteil nehmenden Gruppe der Dorfbewohner. In deren Gesichtsausdrücken, in der Farbgebung und dem Aufbau der Figuren zueinander stecken immens viele Verbindungen und Hinweise weit über das rein erzählerische Genremotiv hinaus. Neher widmet diesem Thema als „sentimental-symbolisches Genre“ ein ganzes Kapitel (Neher 2008, S. 51ff). Wenige Jahre später hatte Salentin, der seine bekannteren Motive häufig in Form von Aufträgen für Museen oder Privatkunden wiederholte, die Auffindung des Findelkindes mehrfach in leichten Variationen geschaffen. Um die Mitte der 60er Jahre hin verlagert er seine Genreszenen vermehrt aus einem geschlossenen Rauminneren ins Freie; so auch das Thema des Findelkindes, das bei der hier vorliegenden Variante von 1868 nicht mehr in der Schmiede, sondern im sonnendurchfluteten Grünen vor einem einfachen Haus stattfindet. Zeitgleich mit der berühmten Version des Findelkinds, das sich heute im Museum in Göteborg befindet, ist auch unsere Arbeit entstanden. Beide waren Auftragsarbeiten für internationale Sammler: eines ging direkt nach Schweden, das andere nach Übersee, wo der Kunsthändler John Bokers seit 1849 in New York eine Galerie speziell für die Maler Düsseldorfs erfolgreich unterhielt. An der großen Wertschätzung, die Salentin zeitgenössisch in den USA erhielt, hatte Bokers einen bedeutenden Anteil. Dabei lässt sich die Provenienz unserer Arbeit bis in diese frühen Jahre nachvollziehen. Denn schon 1875, kurz nachdem das Gemälde entstanden ist, ist es im Besitz des Papierfabrikanten S.D. Warren verzeichnet, der es später in seiner Firmenbibliothek ausstellt. Aufgrund der großen Bedeutung, die Salentin zeitlebens genoss und die auch bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts anhielt, finden sich seine Werke in den Sammlungen vieler großer internationaler Museen. Leider sind sie nach und nach in aus den Ausstellungsräumen in die Depots gewandert, da sich der Blick auf seine Genrearbeiten verändert hat. Im Zuge der aktuellen Aufwertung der romantischen Themen wird auch zunehmen die außerordentliche malerische und inhaltliche Qualität der Werke Salentins wieder wert geschätzt. Hubert Salentin (1822 - 1910) Als einfühlsamster Vertreter der poetischen Romantik wird Hubert Salentin in seiner Zeit welteit von Sammlern geschätzt.


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