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Katalog 388 | Alte Kunst

592 Saleh Ben Jaggia, Raden (1811 Samarang (Java) - 1880 Buitenzorg) Araber zu Pferd von einem Löwen angegriffen. Öl auf Leinwand. Randdoubliert. 30 x 40cm. Gutachten: Werner Kraus, Passau, Februar 2017. „Nachdem Raden Saleh 1839 nach Dresden gekommen war und sich dort für die nächsten 4 Jahre etablierte, begann er sich thematisch neu zu orientieren. Er malte nun nicht mehr holländische Landschaften und konventionelle Portraits, sondern begann sich an orientalistischen Sujets zu versuchen. Zunächst stellte er, ganz in der Tradition des französischen Orientalismus, imaginierte arabische Szenen in imaginierten nordafrikanischen Landschaften dar. Im Mittelpunkt standen Männer im Burnus, arabische Pferde, Löwen. Aber schon bald erinnerte er sich seiner Herkunft und schuf eine eigenständige javanisch Variante des europäischen Orientalismus. Ins Zentrum stellte er nun javanische Reiter auf sog. kuta burung (Vogelpferden), javanische Büffel, javanische Hirsche und Tiger. Der Erfolg, den er damit hatte, bestätigte die Klugheit seiner Entscheidung. Als Raden Saleh 1848 aus Paris nach Dresden zurückkam, hatte sich einiges verändert. Er war zweimal im Salon, der größten und wichtigsten Ausstellung der Welt, vertreten gewesen und hatte sich auch künstlerisch weiter entwickelt, war freier geworden. Die neue Freiheit drückte sich oberflächlich in seiner Kleidung aus, die nun weder europäisch noch explizit javanisch war, sondern ihn als Maler, als Künstler und Teil der Boheme markieren sollte. Auch der Umgang mit den Sujets deutet auf die neuerworbene Freiheit hin. Er lässt sich 1848/49 in Dresden nicht mehr allein auf orientalistische Szenen festlegen, sondern wählt zwischen javanischen, nordafrikanischen und europäischen Motiven, u.a. malt er eine Winterlandschaft bei Maxen. Der protegierte javanische Prinz hatte sich aus der Rolle befreit und saß entspannt im Hausrock und mit Malermütze vor der Staffelei. Aber nicht nur die Auswahl seiner Themen, sondern auch Maltechnik und Malduktus hatten sich verändert. Anders Gemälde 19. Jahrhundert als seine frühen, in Dresden gemalten Löwenjagden, zeigt das hier vorliegende Bild eine wesentlich dichtere Dynamik und höhere Geschwindigkeit. Pferd, Reiter und Löwe sind alle in heftiger Bewegung, alles ist Tempo und fliehende Kraft weder Pferd noch Löwe sind in Berührung mit dem Boden. Jenseits dieser drei, als gleichbedeutend dargestellten Wesen (Reiter, Pferd, Löwe), gibt es im Bild keine Staffage. Abgesehen von ein paar zerzausten Palmen, von Raden Saleh als tropische Kokospalmen angelegt, die es so in einer arabischen Wüste nicht gibt, ist der Bildraum leer. Das übliche Gebirge an der Horizontlinie fehlt, oder ist nur ganz schwach ausgearbeitet, sodass die Aufmerksamkeit des Betrachters allein auf das Phänomen der Geschwindigkeit gelenkt wird. Die Weiterentwicklung der Kampf- und Jagdbilder, wie wir sie hier vorgeführt bekommen, muss, wie schon erwähnt, auf Raden Salehs Aufenthalt in Paris zurückgeführt werden. In Paris wurde er mit einer wesentlich freieren und lockeren Malweise konfrontiert, als es jene war, die er in Den Haag und Dresden kennengelernt hatte. So erinnert nun sein vom Löwen angegriffener Araber an Delacroix, während der orange-gelbe Himmel sein großes Vorbild, Horace Vernet, ins Bild holt. Doch lässt sich auch eine gewisse Kontinuität im vorliegenden Bild entdecken. So erinnert das dahin fliehende Pferd an das Pferd eines von Wölfen im Schnee angegriffener Reiters, das ebenfalls in Maxen gemalt worden ist. Die Gestaltung des von Wölfen angegriffenen Pferdes ähnelt dem Ausdruck und der Form des Pferdes auf dem hier beschriebenen Bild sehr und erweckt gleichzeitig wieder die Erinnerung an das Mazeppa-Pferd von Horace Vernets Gemälde Mazeppa. Raden Saleh hatte dieses Pferd in verschiedenen Studien und Gemälden gewürdigt und beginnt nun es langsam zu transformieren. Auch der anspringende Löwe kann in ähnlicher Form auf einem früheren Gemälde Raden Salehs gefunden werden (Araber zu Pferd von einem Löwen angefallen, 1844, Ö/L, 33 x 51cm, signiert und datiert. Privatsammlung Jakarta). Besonders interessant an diesem kleinen Bild ist die Signatur. In ihr verwendet Raden Saleh zusätzlich zu seinem Namen den arabischen Titel Sarif (Sharif, Sherif). Unter einen Sharif versteht man einen Nachkommen des Propheten Mohammed über die Linie seiner Tochter Fatima. Ob die Familie Raden Salehs wirklich diesen Titel beanspruchen konnte, ist zweifelhaft. Keiner seiner nächsten Verwandten beanspruchte diesen für sich, aber Raden Salehs Kinder- und Jugendname war Sarip Saleh. Sarip ist die javanische Form des Begriffes Sharif. Saleh war, wenn es um Abstammung und Titel ging, eher ungenau und ließ sich Titel und Verwandtschaftsverhältnisse zuordnen, die ihm nicht zustanden. Er folgte damit dem Bedürfnis seiner sozialen Umgebung. So akzeptierte er, dass das biedermeierliche Dresdner Publikum ihn zu einem exotischen orientalischen Prinzen stilisierte und er akzeptierte auch, dass Teile des deutschen Adels ihn zum Aristokraten erklärten, auf dass sie intensiven Umgang mit ihm pflegen konnten. Den Titel Sharif bekam er in Dresden angetragen und er nahm diese Ehrenbezeichnung dankbar an. Ausgangspunkt dieser Anmutung dürfte die Dichterin Ida von Düringsfeld gewesen sein, die in ihrem Buch In der Heimath Briefe eines Halbjahres vom Blätterknospen bis zum Blätterfallen, Breslau, 1843 erwähnt, dass Raden Saleh ihr versichert habe, dass sein Großvater ein „Sherif“ war und dass sie davon ganz betört gewesen sei, denn wenige ihrer Wünsche seien stärker gewesen als jener, mit „einem wirklichem Sherif Reis essen zu dürfen“. Auch versicherte Düringsfeld, dass in Dresden allein sie wüsste, was der Titel Sherif bedeutet. Aber bei ihrer sprichwörtlichen Geschwätzigkeit und ihren engen Verbindungen zur Welt der Dresdener Salons, wird das nicht lange so geblieben sein. Auch das Manuskript seiner Lebenserinnerungen (das heute leider verschollen ist), das Raden Saleh 1849 mit Hilfe seiner Gastgeberin Frederike Serre in Maxen bei Dresden verfasst hatte, unterschrieb er mit Raden Sherif Saleh. Es mag wohl diese innige Beschäftigung mit seiner Biografie gewesen sein, die ihm seine arabische Abstammung (die 200 Jahre zurück lag) wieder in den Vordergrund schob. Die Tatsache, dass er sowohl seine Autobiografie, als auch das vorliegende Bild - beide dürften zur gleichen Zeit entstanden sein - mit der erweiterten Signatur Raden Serif Saleh unterschreibt, verleiht der Signatur des Bildes eine besondere Plausibilität. Ich gehe davon aus, dass das Bild im Januar oder Februar 1849 auf dem Landgut der Serres in Maxen bei Dresden, kurz vor Salehs Abreise nach Gotha, entstanden ist und dass es als eine Art Abschiedsgeschenk betrachtet werden muss. Für wem es gedacht war ist noch unklar.“ Werner Kraus, Passau, Februar 2017. € 30.000 - 50.000 $ 32.400 - 54.000


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