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Katalog 315 Alte Kunst

Géricault, Théodore 1791 Rouen - 1824 Paris 752 | $ 51.600 - 77.400 / € 40.000 - 60.000 Cheval gris. Öl auf Leinwand. Doubliert. 46,5 x 55,5cm. Rahmen. Provenienz: Rheinische Privatsammlung. Gutachten: Wildenstein Institute, Paris, 11. Juli 2012. Das Wildenstein Institut, Paris, nimmt das Gemälde in den Catalogue raisonné zu Géricault auf. Zu diesem Gemälde existieren verschiedene Varianten, unter anderem eine im Musée des Beaux Arts, Rouen, Inventarnummer 850.3. Das Motiv wird allgemein in Géricaults Oeuvre in die Jahre zwischen 1812 bis 1816 datiert. „Schwarze Romantik“ – so wird seit den 60er Jahren von Prof. Mario Praz eine Strömung in der Kunst der Jahre vor 1800 ge- nannt, die vorher schon von Immanuel Kant erkannt wurde. Dieser hat in seiner „Kritik der Urteilskraft“ das Erhabene als ästhetisches Kriterium beschrieben; maßgeblich hierfür ist für ihn die Bewegung des Gemüts. Dieser später dann als „Schwarze Romantik“ bezeichnete Ausdruck erweitert die bis dahin be- kannten ästhetische Kriterien um das Schreckliche, Schauerliche, oder besser gesagt: das Sublime. Eines der berühmtesten Beispiele der Malerei dieser Stilrichtung ist sicherlich Johann Heinrich Füsslis Nachtmahr von 1781. In diesem Gemälde taucht ein geisterhaftes Pferd auf, welches einen Alp begleitet und dem Bildbetrachter entgegenblickt. Ähnlich zu Füsslis Pferd zeigt der hier vorliegende Schimmel Géricaults einen Gemütszustand an, der viele Ureigenschaften eines Pferdes vermittelt: Angst, Schrecken, die Verletzbarkeit bis hin zur erregten Präsenz. Alles dies zeigt der Künstler in einer Art, die den Betrachter tief berührt. Der interpretative Spielraum des Stückes wird durch die Kenntnis erweitert, dass Géricault zeitlich parallel zu unserer Darstellung ‚Tamerlan‘, den Schimmel Napoleons malte (Tamerlan, Le cheval de l‘Empereur, musée des beaux-arts Rouen, Inventarnummer 923.10). Weitere Pferdestücke, die den Einfluss seines Meisters Horace Vernet vermitteln, besitzen jedoch selten eine solche, fast schon expressive Strahlkraft. Nicht umsonst gilt Géricault neben Eugène Delacroix als großer Erneuerer der Französischen Malerei seiner Zeit. Er radikalisiert Sehgewohnheiten, wendet sich von der akademischen Malerei seiner Zeit ab und findet eigene Ide- ale. Tragischerweise stirbt der Künstler sehr früh an den Folgen eines Reitunfalls. Sein zahlenmäßig beschränktes Œuvre wird durch dieses Gemälde ergänzt. Die vorliegende Arbeit dieses kunsthistorisch wichtigen, aber selten zu findenden Malers dürfte das einzige authentische Ge- mälde Géricaults sein, das in den vergangenen Jahrzehnten auf den deutschen Markt gelangt ist. 162


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